1940

12. Januar
Die seit dem 7. Dezember 1939 andauernde Euthanasieaktion in der Nervenheilanstalt Dziekanka bei Gniezno geht zu Ende. Die Exekutionskommandos der deutschen Polizei haben in dieser Zeit insgesamt 1044 geistig behinderte Menschen ermordet.

14. und 15. Januar
Etwa 5.000 Bewohner der Montwiłł-Mirecki-Siedlung in Łódź werden vertrieben.

17. Januar
Die deutsche Verwaltung des Generalgouvernements lehnt aus organisatorischen Gründen und um sie nicht versorgen zu müssen, die „weitere Aufnahme von Polen und Juden ab“. Sie schlägt vor, Aufnahmequoten von höchstens 40.000 Personen zu vereinbaren; Eichmann aber hat die Aufgabe, Platz für 150.000 deutsche „Rücksiedler” zu schaffen. Eine der Grundannahmen der Umsiedlungsaktion ist, dass zur Ansiedlung eines Deutschen mindestens zwei Polen oder Juden ausgesiedelt werden sollen.

23. Januar
Prof. Konrad Meyer, Chef der Planungsabteilung des Reichskommissariats zur Stärkung deutschen Volkstums, legt den ersten Entwurf des „Generalplans Ost” vor. Der Plan sieht vor, aus den ans Reich angegliederten Gebieten 560.000 Juden sofort und mindestens 3,4 Millionen Polen im Laufe einiger Jahre auszusiedeln. Der Plan wurde während des Krieges mehrfach geändert, ging aber immer davon aus, dass alle Polen aus den an Deutschland angegliederten Gebieten vertrieben und die Mehrheit der Polen aus den übrigen besetzten Gebieten ermordet oder ebenfalls ausgesiedelt werden sollten. Die deutsche Bevölkerung der angegliederten Ostgebiete sollte auf 4,5 Millionen erhöht werden.

24. Januar
Der Reichskommissar für die Stärkung deutschen Volkstums organisiert in Poznań eine Konferenz, auf der die allgemeinen Ziele der Nationalitätenpolitik im Warthegau formuliert werden: Erhöhung der Zahl der Deutschen auf 4,5 Millionen und Aussiedlung von 3,4 Millionen Polen.

25. Januar
Heinrich Himmler begrüßt in Przemyśl an der deutsch-sowjetischen Demarkationslinie feierlich die in Planwagenkolonnen einreisenden Wolhyniendeutschen.

2. Februar
Für Bekleidung, Schuhe, Leder und Seife wird eine Bezugsscheinpflicht eingeführt.

8. Februar
Die Deutschen gründen das Ghetto von Łódź.

12. Februar
Die deutschen Behörden verfügen in den ans Reich angegliederten Gebieten die Einziehung aller land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, die nicht im Besitz von Deutschen sind.

14. Februar
Die deutschen Behörden legen fest, dass die religiösen Gemeinschaften im Warthegau nicht der Gesetzgebung des „Altreichs” unterliegen. Insbesondere sind sie damit auch vom Schutz des 1933 zwischen dem Vatikan und dem Dritten Reich abgeschlossenen Konkordats ausgeschlossen. Die Entscheidung läuft darauf hinaus, dass die polnische Kirche praktisch in vollem Umfang verboten wird und fast alle Priester festgenommen werden. Odilo Globocnik, SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin, äußert zum Umgang mit den umgesiedelten Polen und Juden: „Juden und Polen sollen sich selbst ernähren und von ihren Landsleuten unterstützt werden. Den Juden fehlt es an nichts, und wenn doch, sollen sie eben sterben.“ (aus dem Protokoll einer Sitzung der Leitung des Distrikts, zitiert nach: Dieter Pohl, Von der Judenpolitik zum Judenmord, Der Distrikt Lublin des GG, Frankfurt 1993, S.52).

28. Februar
Bis zu diesem Tag haben die Deutschen etwa 100.000 Juden aus dem Warthegau ins Generalgouvernement vertrieben.

3. März
Bis zu diesem Tag haben die deutschen Behörden in Poznań etwa 8.000 Gebäude mit fast 60.000 Wohnungen aus polnischem Besitz beschlagnahmt.

6. März
In Łódź ermorden die Deutschen einige hundert Juden, um die Bevölkerung zu terrorisieren und die Juden zum rascheren Umzug ins Ghetto zu veranlassen.

11. März
Die Abhaltung von Gottesdiensten in Privatwohnungen ohne Einwilligung der Gestapo wird verboten.

15. März
Himmler spricht in Poznań vor den versammelten Kommandanten der Konzentrationslager. Eine seiner Aussagen: „Alle polnischen Facharbeiter werden in unserer Rüstungsindustrie eingesetzt. Später werden alle Polen aus dieser Welt verschwinden. Es ist erforderlich, dass das großdeutsche Volk die Vernichtung sämtlicher Polen als seine Hauptaufgabe versteht.“

26. März
Der Regierungspräsident in Poznań erlässt eine Richtlinie zum Schulunterricht für polnische Kinder: der Unterricht erfolgt in deutscher Sprache und soll nur noch Grundkenntnisse des Deutschen in Wort und Schrift und des Rechnens vermitteln. Er hat dem Ziel zu dienen, die polnischen Kinder zu brauchbaren Arbeitskräften heranzuziehen und zu vermeiden, dass deutsche Arbeitgeber mit ihnen in polnischer Sprache kommunizieren müssen.

9. April
Deutscher Angriff auf Dänemark und Norwegen.

11. April
Łódź wird in Litzmannstadt umbenannt.

30. April
Das Ghetto in Łódź wird geschlossen. Vorgesehen ist, sämtliche Einwohner bis zum Herbst ins Generalgouvernement abzuschieben.

9. Mai
Himmler erlässt eine Verfügung zur „Wiedereindeutschung” von Polen mit „nordischen Rassemerkmalen“.

10. Mai
Deutscher Angriff auf Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande. Der Polizeipräsident von Łódź ordnet an, auf jeden Juden, der das Ghetto verlässt, ohne Warnung das Feuer zu eröffnen.

19. Mai
Aus dem Landkreis Gostyń werden 1169 Menschen ausgesiedelt.

23. Mai
Arthur Greiser führt eine Grußpflicht für alle Polen gegenüber uniformierten Deutschen ein.

25. Mai
Hitler nimmt eine Denkschrift Himmlers „Über die Behandlung der Fremdvölkischen im Osten“ entgegen. Danach können einzelne polnische Familien „nach rassischer Auslese“ ins Reich umgesiedelt und nach Änderung ihres Namens „ins deutsche Leben eingereiht” werden. Die Polen im Generalgouvernement sollen, verstärkt um die aus den ins Reich angegliederten Gebieten vertriebenen Polen und „weniger wertvolle“ Teile der Bevölkerung des Reiches (Lausitzer und Sorben) sollen ein „der Führung beraubtes Arbeitsvolk“ werden, das bei der Errichtung der „ewigen Bauten“ des Dritten Reiches, also zur Sklavenarbeit, eingesetzt werden soll. Über die Juden schreibt Himmler: „Ich hoffe, dass der Begriff ‚Jude‘ durch die Schaffung der Möglichkeit einer großen Auswanderung aller Juden nach Afrika oder in eine andere Kolonie völlig verschwinden wird.“

13. Juni
Der Reichsstatthalter im Warthegau verbietet den Polen das Angeln.

15. Juni
Vom 15.-17. Juni besetzt die Sowjetunion Litauen, Lettland und Estland. Damit wird ein weiterer Teil des Hitler-Stalin-Pakts erfüllt.

17. Juni
In Poznań werden zwei Polinnen verhaftet, die französische Kriegsgefangene, die unter Bewachung durch die Stadt geführt werden, mit Süßigkeiten beschenkt hatten.

22. Juni
Verfügung über die Beschlagnahme aller Fahrräder im Besitz von Polen, die keine Sondergenehmigung der Behörden für den Besitz eines Fahrrads haben.

23. Juni
In allen Gaststätten werden zwei fleischlose Tage und ein weiterer Tag eingeführt, an dem lediglich ein Eintopfgericht angeboten wird.

8. Juli
Hitler verspricht Generalgouverneur Hans Frank, die Judentransporte in sein Verwaltungsgebiet endgültig einzustellen. Die Verwaltung des Generalgouvernements hatte allen Umsiedlungen der Juden aus den ans Reich angegliederten Gebieten ins GG und zur Planung eines „Judenreservats“ auf ihrem Gebiet systematischen Widerstand entgegengesetzt. Dieser Widerstand beschleunigte die Entscheidung zur Ghettobildung und später zur Vernichtung der Juden im Warthegau selbst. Der deutsche Kanoniker Joseph Paech, apostolischer Administrator für die deutschen Katholiken im Warthegau, beschwert sich bei der Gestapo über die massenhafte Zerstörung religiöser Figuren im Kreis Leszno (Lissa).

10. Juli
In Poznań entsteht der geheime Sportverein „Chwaliszewo”.

12. Juli
Hitler unterzeichnet einen Erlass über den Stadtumbau in Poznań.

11. August
In Poznań nimmt die Polizei 17 Polen fest, die ohne schriftliche Genehmigung auf Reisen waren.

15. August
Adolf Eichmanns „Umsiedlungsreferat” legt einen mit dem Reichsaußenministerium und anderen Instanzen abgestimmten detaillierten Plan zur Deportation von vier Millionen europäischen Juden auf die Insel Madagaskar vor. Das Ziel ist – in der Sprache der Bürokratie – „die Vermeidung der ständigen Berührung der Juden mit anderen Völkern” durch eine „Lösung auf einer überseeischen Insel”.

16. August
Vom Fort VII in Poznań geht ein Transport von etwa 80 Priestern aus Großpolen ins Konzentrationslager Buchenwald ab.

29. August
Die Gestapo transportiert 179 Priester aus dem Durchgangslager Szczeglin (bei Mogilno) in Konzentrationslager im Reich ab.

6. September
Die deutsche Stadtverwaltung von Poznań verabschiedet einen Plan zur Germanisierung polnischer Waisenkinder, die bestimmten „rassischen” Kriterien genügen.

14. September
Auf einem Schulungskurs der NSDAP äußert Arthur Greiser in Poznań: „Der Führer hat mich nicht hierhergeschickt, damit ich ein paar katholischen und evangelischen Geistlichen den Kopf streichele, sondern um das polnische Volk zu vernichten, damit das deutsche Volk leben kann. Und ich versichere Euch, dass ich darin meine Lebensaufgabe sehe.“

20. September
Der Präsident der Oberpostdirektion Poznań, die die Autobuslinien betreibt, ordnet an, dass Polen ihre Sitzplätze für Deutsche räumen müssen.

23. September
Beginn der Umsiedlung der Bessarabiendeutschen. Bis Ende 1940 sind 140.000 Personen betroffen.

25. September
In der Nacht wird in Poznań eine weitere Nummer der Untergrundzeitschrift „Polska Narodowa” (Nationales Polen) in einer Auflage von 2.550 Stück gedruckt.

29. September
In Poznań nimmt die Gestapo eine siebenköpfige Widerstandsgruppe fest, die in den Militärbekleidungswerken Sabotage geübt hatte. Die Kämpfer hatten mehrere Meter Uniformstoff in schmale Streifen zerschnitten, Uniformvorräte in Lagern angezündet undeinen Anschlag auf ein in einer Kirche untergebrachtes Sprengstofflager geplant.

21. Oktober
In Poznań wird der „Feuerbestattungsverein Wartheland” gegründet. Er hat das Ziel, den altgermanischen Brauch der Leichenverbrennung wieder aufleben zu lassen.

23. Oktober
Die nächste Nummer der Untergrundzeitschrift „Polska Narodowa” erscheint. Darin heißt es u.a.: „Es geht nicht um einen selbstmörderischen Kampf oder verzweifelte Reflexe, sondern um eine planmäßige, kluge, gut organisierte und abgesicherte Aktion, für die wir uns stets in Bereitschaft halten müssen. Sie bekämpfen uns total, und wir werden ihnen ebenso antworten, total, unter Einsatz der ganzen Nation.“

7. November
In der Aula der Posener Universität findet ein Sinfoniekonzert statt, in dem Maria Greiser, die Ehefrau des Gauleiters, als Solistin auftritt. Den Erlös des Konzerts spenden die Veranstalter der „Winterhilfe“.

10. November
Beginn der Vertreibungsaktion in Mława. Bis Ende 1940 sind über 20.000 Menschen betroffen.

15. November
Die deutschen Behörden bilanzieren, dass sie bisher 234.620 Polen aus dem Warthegau ins Generalgouvernement „umgesiedelt” haben. In Warschau wird das Ghetto geschlossen.

16. November
In Poznań verprügeln Angehörige der Hitlerjugend eine Gruppe polnischer Kinder, die auf einem öffentlichen Platz spielt.

5. Dezember
Während eines Aufenthalts in Warschau wird Antoni Wolniewicz, der Vorsitzende der Nationalen Partei (Stronnictwo Narodowe) in Poznań, festgenommen. Damit beginnt eine Welle von Verhaftungen und Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Nationale Kampforganisation, einer in Großpolen aktiven umfangreichen Untergrundorganisation.

10. Dezember
Hitler referiert vor den Gauleitern der NSDAP über „Siedlungsfragen”. Als einen seiner Erfolge stellt er heraus, dass die Staaten, aus denen Deutsche ins Reich umgesiedelt werden, dem Reich 3,315 Milliarden Reichsmark an Entschädigung für vor Ort zurückgelassenes Vermögen hätten zahlen müssen. Das Reich hingegen habe nur 65 Millionen Reichsmark davon an die Betroffenen weiterleiten müssen, da die Deutschen den Rest der Entschädigungen im Wege der „Naturalrestitution“ aus dem beschlagnahmten Vermögen von Polen und Juden erhalten hätten.

18. Dezember
In fast allen Städten des Warthegaus finden Straßenrazzien auf Polen statt. Sie haben zum Ziel, illegal erworbene oder für den Verkauf auf dem Schwarzmarkt bestimmte Waren zu entdecken.

29. Dezember
In Poznań verhaftet die Polizei einen Polen, der in betrunkenem Zustand auf die Melodie der polnischen Nationalhymne ein Lied mit folgendem Text singt:

Hitler raus aus Polen
Soll die Pest ihn holen,
Ihn der Blitz erschlagen,
Und zu Grabe tragen.